Montag, 18. Januar 2010

Über Medienpädagogik und Mediendidaktik


Das Rezipieren von Inhalten, die Artikulation von Verstehensprozessen und das Produzieren neuer Inhalte sind Grundfähigkeiten, über die man sowohl in einer vom Buch als auch in einer multimedial geprägten Welt verfügen muss, wenn man von sich behaupten möchte, irgendeine Form von Bildung genossen zu haben. Da besteht überhaupt kein Unterschied zur Zeit vor 250 Jahren, als die Bürgerskinder begannen vogelwilde Dramen zu lesen.

Der "Digital Native" ist so gesehen im gleichen Maße ein potentielles Opfer der menschlichen Kultur, wie es schon Rousseaus 'Emile' war. Heute wie damals besteht die Befürchtung, durch die wahllose Neukombination von unter Umständen verdorbenen Versatzstücken der Kultur könne der heranwachsende menschliche Geist Schaden nehmen. Formen der Gewalt, die heute ausgeübt wird, heißen z.B. Cybermobbing, Abstumpfung der Gefühle durch Konsum von Brutalität und Aggression, Verführung zu rechtsextremen Ideen, Raub der Lebenszeit. Aber außer Cybermobbing geht das alles mit Büchern auch. Man vergleiche den süchtigen WoW-Spieler mit dem "Bücherwurm" - sind die in unserer Vorstellung nicht beide gleich bleich und weltfern?

Von der Seite der Produktion sind aber die Form der Texte und ihre vielfältige Verknüpfung mit Bild und Ton neu. Die traditionelle Erzählung hat einen mehr oder minder sinnstiftenden oder sinnzerstörenden Anfang und Schluss, aber sie überlässt es völlig dem Leser oder Hörer, so genannte "Anspielungen" auf andere Erzählungen - ggfs. auch Bilder - zu vermuten, also intertextuelle Beziehungen zu erkennen. Der Text des 21. Jahrhunderts ist dagegen nach Innen völlig offen, da er an beliebigen Stellen durch Links auf andere Medieninhalte verweisen kann. Diese Implosion der Semantik wird erst dann wieder verschleiert, wenn der Text gedruckt wird. Solange der Text online ist, trägt er durch beständige Rekursion der Inhalte dazu bei, Meme zu stabilisieren, deren schiere Existenz - isoliert betrachtet - völlig irrwitzig bis brutal sein kann. Man denke an Flaschenkatzen.

Neu sind natürlich Phänomene wie "Cybermobbing". Cybermobbing funktioniert aber nur, weil es eine Diffusion der moralischen Erwartung in die sozialen Netzwerke gibt. Würden z.B. die Mitglieder bei Facebook sich gegenseitig nur als Projektion von Pixeln betrachten, dann gäbe es viele interessante Wortwechsel via Internet nicht. Versuche von "Cybermobbing" wären absolut gegenstandslos, weil deren Opfer die Meinung realer anderer Menschen in der Online-Community fürchten und nicht die bunten Pixel. Hybridformen wären denkbar, wenn Computer endlich den Turingtest bestehen. Dann darf man auf Situationen wie in Bladerunner warten, auch ohne einem Nexus 6 in die Augen schauen zu müssen, denn es könnte ja immer auch die Instanz eines Netzagenten sein, mit der man fröhlich parliert. Ob das aber dann den großen Unterschied macht, ist schon wieder fraglich. Schließlich akzeptiert der Kinobesucher bei Filmen wie "Avatar" in Sekundenbruchteilen die fiktive Wirklichkeit, ohne sich bei jedem Blatt zu fragen, ob das jetzt eine reale Vorform hatte oder frei erfunden ist. Ebenso nehmen alle Teilnehmer sozialer Netzwerke an, dass ihr Gegenüber menschlich ist, und unterstellen menschliches Verhalten. Das bedeutet, sie knüpfen mehr oder weniger starke Gefühle und Erwartungen an ihr virtuelles Gegenüber, sie wünschen oder befürchten bestimmtes Verhalten und sind enttäuscht, wenn sie nicht bekommen, was sie sich versprochen haben. Man bleibt grundsätzlich verletzbar.

Die Implosion der Semantik und die Diffusion der moralischer Erwartung machen Medienpädagogik und Mediendidaktik wichtig. Medienpädagogik und Mediendidaktik haben die Aufgabe aufzuklären und Medienverwahrlosung zu bekämpfen, indem sie Wege zur Selbstverteidigung des menschlichen Geistes gegen den medialen Overkill zeigen. Im Unterschied zur rein beschreibenden Wissenschaft verfolgen sie ethische Ziele, die durch die Gesellschaft definiert werden.

Mittwoch, 6. Januar 2010

Textadventure

Textadventures gehören zum Urgestein der Computerspiele. Eines der ersten ist "Adventure" von William Crowter, danach kommt schon sehr schnell Zork in verschiedenen Versionen. Das reizvolle an Textadventures ist das Fehlen einer graphischen Oberfläche und die Notwendigkeit, sich die Räumlichkeiten selbst vorzustellen, um die enthaltenenn Aufgaben zu lösen.

Vgl. zu Genre http://de.wikipedia.org/wiki/Adventure und http://de.wikipedia.org/wiki/Adventure_(1976). Hier gibt es den originalen Fortran-Quelltext: http://jerz.setonhill.edu/if/crowther/. Manche der alten Textadventures kann man wieder online spielen: vgl. http://www.ifiction.org/games/index.php?cat=2.

Zu jedem folgenden Schritt im Textadventure gehört notwendig die Interaktion des Spielers. Anders als bei gängigen 3d-Spielen mit komplexer Graphik schaut man also nicht erst 20 Minuten zu, bis der im Spiel enthaltene 3D-animierte Film endlich abgelaufen ist.
Bei Textadventures muss man immer zuerst eine Vorstellung von die Miniaturwelt im Spiel machen, also sich eine Bandbreite von möglichen Spielverläufe ausdenken. Im nächsten Schritt muss man die Verläufe bewerten und eine Entscheidung für einen gewünschten Verlauf treffen. Dann muss man eine Vermutung aufstellen, wie man denn nun diesen Verlauf auslösen kann und schließlich muss mann es ausprobieren. Wenn es geklappt hat, bestärkt das denn Spieler in seiner Vorstellung von der Spielewelt, wenn nicht, kann er entweder die Art ändern, wie er einen bestimmten Spielverlauf auslösen wollte, oder er kann die Vorstellung von der Welt modifizieren.
Dieser Prozess ist dann für den Spieler erfolgreich, wenn er ihn möglichst individuell gestalten kann. Das bedeutet, die Interaktion mit dem Spieler muss so aufgefangen werden, dass möglichst wenige oder wenigstens eindeutige Sackgassen entstehen. Ein Maximum der Interaktion ist erreicht, wenn ein Spieler die eingeschlossene Welt während des Spielens völlig frei verändern kann.

Fragment eines Textadventures ist Miniaturversuch, diese Interaktivität nachzubasteln. Es gibt eine Eingabezeile, deren Inhalt in einer Schleife an eine Parser-Funktion übergeben wird. Der Parser versucht aus der Zeichenkette Wörter zu erkennen und sie nach einer einfachsten Grammatik in eine Reihe von Funktionen umzuwandeln. Die Funktionen ihrerseits rufen Methoden von Klassen auf, die festgelegt sind. Es gibt: Orte, Botschaften, Maschinen, Werkzeuge und Links. Die Links sind dabei die Verbinder zwischen den Orten. Botschaften, Maschinen und Werkzeuge können zu einem Ort gehören. Alle diese Objekte werden über XML-Dateien definiert, die in diversen Unterordnern abgelegt sind. Und eigentlich bräuchte ich beim momentanen Stand nur noch einen eingebauten Editor zum Verändern der Welt durch Hinzufügen oder Bearbeiten von XML-Dateien. Zum Beispiel soll ein Spieler, der denkt, dass er gerne in der Hütte ein Bild an der Wand hängen hätte, das einen beim Daraufzugehen an einen Ort portiert, welcher der Beschreibung des Bildes entspricht, dass der Spieler sich so ein Bild also machen kann. Und dann hätte ich gerne, dass man sich beim Spiel anmelden kann und über Netzwerk mit anderen zusammenspielen.
- Naja. Das kann dauern. Wahrscheinlich müsste man auch überhaupt das Konzept der Links als Verhältnisse zwischen Objekten im Gegensatz zu den Objekten neu überdenken.